Jahresarchiv 25. Oktober 2019

DSGVO-Bußgelder sind die neue Abmahnwährung

Dem ausufernden Abmahngeschäft wurde zwischenzeitlich Vernunft und Maßhaltigkeit aufgezwungen. Nun sind es die Datenschutzbehörden, die das Geschäft für die Unternehmen mit verhängten Bußgeldern erschweren.

Wie WELT AM SONNTAG berichtete unter Berufung auf eine Umfrage bei den Behörden von bislang insgesamt 485.490 Euro. Im Durchschnitt also ca. 6000 Euro. Dies gehe aus Angaben einiger Bundesländer hervor. 

Bislang wurden in sieben Bundesländern Bußgelder verhängt, wobei die durchschnittlichen Höhen sehr unterschiedlich sind. Dies ist nicht ungewöhnlich, denn die Börden müssen sehr individuell die Maßstäbe für die Schwere der Verstöße anlegen. Die DSGVO gibt in Art. 83 einen konkreten Katalog an Prüf-Kriterien vor:

  • Art, Schwere und Dauer des Verstoßes?
  • Art, des Umfangs oder des Zwecks der betreffenden Verarbeitung?
  • Zahl der von der Verarbeitung betroffenen Personen?
  • Ausmaßes des von ihnen erlittenen Schadens?
  • Art des Schadens der entstand?
  • Vorsätzlichkeit oder Fahrlässigkeit des Verstoßes?
  • Maßnahmen zur Minderung des Schadens bei Betroffenen?
  • Grad der Verantwortung mit Rücksicht auf Ihre getroffenen technisch/organisatorischen Maßnahmen?
  • Einschlägige frühere Verstöße?
  • Umfang der Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde?
  • Kategorien personenbezogener Daten, die von dem Verstoß betroffen sind?
  • Art und Weise, wie der Verstoß der Aufsichtsbehörde bekannt wurde?
  • Einhaltung der angeordneten Maßnahmen?
  • Einhaltung von genehmigten Verhaltensregeln oder Zertifizierungsverfahren?
  • Erlangte finanzielle Vorteile oder vermiedene Verluste?
  • Weitere erschwerende oder mildernde Umstände?

Die Kriterien sind komplex, hinzu kommt: Die Datenschützer sind durch das Gesetz auch gezwungen, dass die Maßnahme in  jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist. Im Zweifelsfall werden die Strafen also eher höher als niedriger ausfallen, um abschreckend zu sein. Und! Sie selbst sind auch immer im Boot, wenn ihr Auftragsverarbeiter dagegen verstößt!

Vertrauensseligkeit schützt nicht vor Bussgelder

Letztendlich sind es am Schluss die Gerichte, die über eine Angemessenheit und die Höhe des Bußgeldes entscheiden. Hier wird es m.E. nicht eine geraume Zeit brauchen, bis die Gerichte genauere Kriterien entwickeln. Vertrauensseligkeit bringt hier nichts, denn die Strafen können empfindlich und exemplarisch sein: Das Berliner Unternehmen Delivery Hero muss wegen nicht gelöschter Kundendatensätzen und unzulässigen Werbemails ein Bußgeld von 195.407 Euro zahlen. Das höchste DSGVO-Bußgeld bisher gegen ein Unternehmen in Deutschland.

Das strategische Dilemma

Die Krux an der DSGVO ist: Sie schützt die Person und das staatliche Interesse am Datensammeln! Sie berücksichtigt nur sehr schwammig, das Interesse der Wirtschaft Geschäfte machen zu können. Dies zwingt die Internetwirtschaft in eine prekäre Situation: Entweder einen Großteil  des Onlinegeschäfts aufgeben und sich von ausländischen Konkurrenten verdrängen lassen oder den rechtlichen Interpretationsspielraum so lange ausschöpfen bis eindeutige Rechtsklarheit herrscht. Das Dilemma: Möglicherweise steht man zu 50%iger Wahrscheinlichkeit auf der falschen Seite.  An dieser Stelle kann die Falle der Datenschutzbehörde zuklappen und Sie mit Bußgeldern belegen. Die zweite Krux: Gerade die sich hervortuenden Behörden suchen sich schwächere Unternehmen, um Exempel zu statuieren. Auch das ist bittere Realität der Statistik.

Klar ist, dass die DSGVO-Bestimmungen und Entscheidungen noch recht vage sind und daher viele Interpretationsspielräume (noch) zulassen. Dies ist die positive Nachricht. Solange eine begründbare Rechtsmeinung besteht, die Ihre Auffassung bestärkt, müssen Sie sich nicht einer behördlichen Auffassung unterwerfen. Lassen Sie sich daher eine Beurteilung ausfertigen, die Ihre Auffassung juristisch stützt. Als Marketingfrau/-mann sollten Sie nicht fragen, was rechtssicher möglich ist? Solange durch die Gerichte die Interpretationsspielräume nicht vollständig definiert sind, kann die rechtssichere Lösung nur sein, keinerlei Erfassung und Auswertung personenbezogener Daten vorzunehmen. Fragen Sie stattdessen,  was an Ihrer Praxis mit gutem Gewissen noch rechtlich haltbar (nicht endgültig entschieden) ist. Dies ist m. E. eine für das Marketing vertretbare Compliance.  Wenn Sie einen Schritt weiter gehen wollen: Informieren Sie Ihre Landes-Datenschutzbehörde und begründen Sie Ihre Rechtsauffassung mit dem Ziel ein vorläufiges Stillhalteabkommen zu erreichen, solange gerichtliche Klarheit aussteht. Dieser Rat ist aber juristisch sehr sorgfältig abzuwägen: Kolibri Image, ein kleines Unternehmen, konnte keinen Vertrag zur Auftragsverarbeitung zustande bringe und wandte sich an die Datenschützer. Die Behörde verhängte ein  5.000 EUR Bußgeld mangels Vertrag mit dem Auftragsdatenverarbeiter. Auslöser war also der Klärungsversuch. Ein Skandal zwar, aber die Hamburger Datenschützer hatten schon immer umstrittene Auffassungen vom Datenschutzrecht.

Die Bußgeld-Vorsorge wird verletzt

Denken Sie auch daran für den worst case eine Rücklage auf zu bauen, falls sich irgendwann Ihre Rechtsauffassung von Gerichten zerstäubt wird. Klar ist, wenn es zum Vorfall kommt, müssen Sie das Heft in die Hand nehmen, unverzüglich handeln und die Behörden aktiv informieren. Alles andere wäre fahrlässiger kaufmännischer Leichtsinn. Die vorher genannten Kriterien geben Ihnen aber eine gute Richtschnur, die Ihnen kostspielige Fettnäpfchen ersparen.

Haben Sie Ihre Daten kategorisiert und das Risiko bewertet?

Verstoß ist nicht gleich Verstoß. Insbesondere sensible Datenpannen können empfindliche Strafen auslösen:  So verhängte der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg mit 80.000 Euro eine hohe Einzelstrafe, da Gesundheitsdaten im Internet landeten. Haben Sie auch daran gedacht, dass bei Bewerbungen, Mieterselbstauskünften, Bonitätsprüfungen etc. massiv hochsensible Daten anfallen?

Haben Sie Ihre Kontaktquellen, wie Kundenservice, Chat, Social-Media-Leute so stringent informiert, dass jede Kundenaussage mit Eskalations-Drohung im Datenschutz zentral bearbeitet wird? Die Ignoranz vieler Unternehmen ist hier erschreckend. Mit einer unbegründeten Naivität nehmen es nach meiner Erfahrung und meinen Tests 72% aller Unternehmen in Kauf, daß ihr Unternehmen in den Focus der Behörden geraten. Die Zahl der Beschwerden häufen sich dort massiv. Die Rede ist von 25-200 Beschwerden pro Tag: Wir reden hier theoretisch zwischen  9.100 und 73.000 Beschwerden pro Jahr. Preisfrage: Wen würde sich dann eine Behörde mal genauer unter die Lupe nehmen: den mit 2 Beschwerden oder den mit 200?

Funktioniert Ihr Dokumentationssystem?

Haben Sie wirklich auch alles dokumentiert, was Ihre Bemühungen zu Vermeidung von Datenpannen beschreibt? Halten Sie diese Dokumentation tagesaktuell und vollständig, wenn sich Änderungen ergeben? Dokumentieren Sie auch die bekannt gewordenen Pannen und bewerten Sie diese richtig?  Sie sind gesetzlich verpflichtet Datenpannen unverzüglich zu melden. Eine Verletzung liegt vor, wenn personenbezogene Daten verlorengegangen sind bzw. vernichtet, verändert oder unbefugt offengelegt wurden. Viele Firmen denken jetzt an große Datenpannen, schwere Hackereinbrüche etc. In Wahrheit liegt die Messlatte viel tiefer! Die Meldepflicht besteht bereits bei „normalen“ Risiko. Beispielsweise verliert ein Mitarbeiten einen Laptop, einen USB-Stick oder ein Mobiltelefon mit personenbezogenen Daten. Im Personalverkauf wurden versehentlich PC mit nicht gelöschten Festplatten veräußert. Der Firmenparkplatz mit erkennbaren Kfz-Kennzeichen der Mitarbeiter wurde veröffentlicht (Kfz-Kennzeichen ist eine personenbezogene Information). Wenn die Daten verschlüsselt waren, so ist das Risiko und damit Ihre Meldepflicht geringer. Anders dagegen bei unverschlüsselten Daten.

Sie unterliegen Sie einer Dokumentationspflicht. Dokumentieren Sie den Vorfall und bewerten Sie in einem weiteren Prozessschritt, ob Sie die Datenpannen melden müssen oder nicht. Sie haben hierfür 78 Stunden Zeit. Aus Beweisgründen sollte dies belegbar, am besten per Fax geschehen. Leitfaden DatenschutzverletzungWer sich hierzu genauer informieren möchte, dem seien die 40seitigen „Leitlinien des „Europäischen Datenschutzausschusses“ empfohlen. –

 Haben Sie daran gedacht, dass Sie auch die Betroffenen informieren müssen? Dies aber nur bei „gesteigertem Risiko“.

Brauchen Sie eine Beratung und praktische Unterstützung zur Umsetzung und Praxis in Ihrer Firma? Nehmen Sie Kontakt auf – Ich unterstütze ich Sie gerne.

Konsequenzen, die Sie aus dem jüngesten EuGH-Bannerurteil kennen müssen!

Nun hat der EuGH am 1.10.19 zum Datenschutz bei Cookies entschieden und wie Sie Ihr Banner und Ihre Datenschutzerklärungen gestalten müssen, damit eine datenschutzkonforme Speicherung besteht. Deutsche Seitenbetreiber konnten sich noch auf anderslautende Auslegungen im Telemediengesetz berufen. Diese Zeiten werden mit den zu erwartenden deutschen Urteilen demnächst vorbei sei. Das Wegklickbanner ist unzulässig. Sie brauchen eine eine explizite Zustimmung. Aber das Urteil hat noch sehr viel weiter greifende Überraschungen. Die Gefahr Geldbußen vom Landesdatenschutzbeauftragten  oder Abmahnungen zu erhalten, steigt deutlich.

Werfen wir mal einen Blick ins Urteil und klären was entschieden wurde: Zunächst eigentlich fast nichts, denn es handelt sich um eine Vorabentscheidung, also eine Anfrage eines deutschen Gerichts wie der EuGH die sieht. Die eigentliche Konsequenz für die deutsche Rechtsprechung ergibt sich erst aus dem Urteil des deutschen Gerichts und ggf. anderer Instanzen. Trotzdem ist herauslesbar, wohin sich das deutsche Onlinevertriebsrecht entwickeln wird. Grundsätzlich ist es um folgende drei Kernfragen gegangen:

  1. Sind Cookies überhaupt zustimmungsbedürftige personenbezogenen Daten und muss zwischen personenbezogenen und nicht personenbezogenen abgelegten Daten unterschieden werden? Hierzu gab es ein klares Ja vom EuGH. Aber der EuGH legt noch was drauf: Der „Schutz erstreckt sich auf alle in solchen Endgeräten gespeicherten Informationen, unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt, und erfasst insbesondere – wie ebenfalls aus diesem Erwägungsgrund hervorgeht – „Hidden Identifiers“ oder ähnliche Instrumente, die ohne das Wissen der Nutzer in deren Endgeräte eindringen.“ Begründet wird dies mit den europäischen Menschenrechten. Jeder, der irgendwas auf einem Gerät eines Nutzers ablegen will, braucht dessen Einwilligung!
    Nach meiner Meinung ist dies eine harte Nuss, denn schließlich gibt es auch technische Cookies, die am Rechner abgelegt werden. Wie verhält es sich mit temporären Dateien des Browsers? Auch die werden auf Endbenutzergeräten gespeichert.Ist eine abwählbare, voreingestellte Zustimmung eine „Einwilligung“ der Person, wenn diese nicht abwählt? Es geht also um die Frage, ob eine passive Einwilligung genügt? Nein, dies genügt nicht. Keine wirksame Einwilligung liegt vor, wenn die Speicherung oder Auslesen von Informationen beim Endgerät durch ein abwählbares Ankreuzkästchen erlaubt wird – so der EuGH.

  2. Ist eine abwählbare, voreingestellte Zustimmung eine „Einwilligung“ der Person, wenn diese nicht abwählt? Es geht also um die Frage, ob eine passive Einwilligung genügt? Nein, dies genügt nicht. Keine wirksame Einwilligung liegt vor, wenn die Speicherung oder Auslesen von Informationen beim Endgerät durch ein abwählbares Ankreuzkästchen erlaubt wird – so der EuGH.

  3. Reicht es einfach dem Banner zuzustimmen? Nein. Der Besucher muss „klaren und umfassenden Informationen“ erhalten, über die Zwecke der Verarbeitung für die er seine Einwilligung gegeben hat. Insbesondere ist entschieden, dass die „Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen“, die „Zweckbestimmungen der Verarbeitung“, „die Empfänger oder Kategorien der Empfänger der Daten“ anzugeben sind; sowie „Angaben zur Funktionsdauer der Cookies“ und dazu, „ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können. Gerade bei Letzteren wird es wiederum heikel. Woher wollen Sie wissen, wer auf ihre Facebook- und Google-Cookies alles Zugriff bekommt.

Das Urteil enthält Sprengstoff …

aus dem prompt die jeweiligen Interessensgruppen Ihr Kapital schlagen werden. IBild von TeroVesalainen auf Pixabayhr gutes Recht, aber für Leute in der Vertriebspraxis meist eher verunsichernd oder generell desaströs als hilfreich. Daher war es gut zuerst einen Blick ins Urteil zu werfen. Wie dies in der deutschen Rechtspraxis dann weiter ausgelegt wird, bleibt abzuwarten. Aber Sie sind nicht auf der sicheren Seite, wenn Sie dies vorerst ignorieren. Denn mit der DSGVO können die Landesdatenschutzbehörden Bußgelder verhängen, wenn deren Rechtsauffassung mit Ihrer kollidiert. Zumindest ein Teil der Behörden setzen dieses Instrument auch strategisch ein, um Urteile in deren Sinne zu forcieren. Statistisch ist bewiesen: Bevorzugt werden hier kleine Unternehmen ausgewählt (näheres dazu in einem Folgebeitrag).

Für Ihren eCommerce kann ich folgende Empfehlungen ausgesprechen:

  • Weisen Sie im Banner auf Zweck und Identität der Verarbeitung hin und ob andere Zugriff haben. Weisen Sie auf die Datenschutzbestimmungen für weiter Informationen hin. Eine Verlinkung ist m.E. nicht erforderlich und ggf. für die Navigation hinderlich. Dies gilt für alle Cookie-Arten.
  • Weisen aber deutlich und leicht aufrufbar auf die Datenschutzbestimmungen auf der gleichen Seite hin, z.B. im Footer.
  • Vergessen Sie für Cookies und sonstige Zustimmungen alle voreingestellten Ja-Optionen. Sie brauchen den aktiven Zustimmungsklick. Ihnen kann aber niemand verwehren, Besucher von der Seite fern zu halten, wenn diese nicht zustimmen. Haben Sie wertvolle Inhalte, werden Ihnen die wirklich Interessieren die Zustimmung geben. Dies kann eine Chance für mehr Besucherqualität sein.
  • Insbesondere wenn Funktionen durch die Nichtzustimmung eingeschränkt werden, weisen Sie deutlichst darauf hin. Ansonsten erzeugen Sie eine neue Beschäftigungswelle für Supportanfragen.
  • Wenn Sie ohnehin lt. EuGH immer eine Einwilligung für jede Endgerätespeicherung brauchen, egal ob technisch erforderliche Cookies oder personenbezogene Werbecookies, dann macht es m.E. nur wenig Sinn zwischen den zu speichernden Informationen zu unterscheiden. In der Regel wird auch die Zustimmungskonversion steigen, wenn Sie die notwendigen technisch Cookie-Grunde vorliegen. 
  • Wenn Sie Produkte von Dritten, wie Facebook, Google, Amazon …. einsetzen: Verweisen und verlinken Sie unbedingt auf deren Datenschutzbestimmungen.
  • Erfahrungsgemäß geht mit aktiver Zustimmung Anzahl der Online-Messdaten massiv zurück (Einbrüche um 50% sind nicht selten). Wenn Sie also nur jeden 2. Besucher messen können (dürfen), müssen Sie Ihr internes Reporting auf den Prüfstand stellen und die KPI-Auswirkungen mit der Geschäftsführung abstimmen. Eine seriöse Vergleichsbasis zu Vorjahreswerten ist dann in der Regel Vergangenheit.
  • Die Zeiten der komfortablen automatischen Bannerzustimmung sind vorbei! Sie brauchen jetzt Kommunikationspläne wie Sie Ihren Besuchern die Bannerzustimmungen schmackhaft und plausibel machen. Planen Sie hierfür Kapazitäten und Budgets ein. Positiver Nebeneffekt: Im Kern setzen Sie damit auf Vertrauenswerbung in Ihr Unternehmen und dies ist nie verkehrt.

Brauchen Sie Unterstützung im „Leben nach der DSGVO“, bei der Neuausrichtung Ihres e-Commerce oder Fragen zur Strategie. Ich unterstütze Sie gerne. Nehmen Sie mit mir Kontakt über Mail oder per Telefon 0151 505 24576 auf.
Ihr Dr. Thomas Artmann

 

Conversionsraten richtig messen und beurteilen

„Wie hoch ist denn Ihre Conversionsrate“, höre ich oft als Gesprächspunkt bei Konferenzen. „Ja, die ist erstaunlich gut bei 3,5%. Ja wirklich gut, unsere liegt nur bei 0,75%“. Es liegt auf der Hand: Mit 3,5% ist Person A erfolgreicher als Person B mit 0,75%. Aber ist das so?

Was ist denn eine Conversion genau?

Die Umwandlungsrate ist ein Messwert, der misst welcher Anteil an gewünschten Handlungen eine Aktion bezogen auf eine umrissene Kontaktgruppe hin auslöst. Die Conversion muss nicht zwingend ein Kauf sein. Conversionsziele können auch Newsletteranmeldungen, Umfrageteilnahmen …. sein. Die Umwandlungsrate ist also eine Messung der Zielerreichung.

Ziel = Erfolg

Wir assoziieren unbewusst immer Zielerreichung mit Erfolg. Dies ist nicht richtig. Sie starten eine Kampagne und wollen 10 Bestellungen generieren. Ergebnisse der Kampagne waren 0 Bestellungen aber 3 Testanforderungen und 14 Prospektanforderungen. Würden Sie dies als Kampagne ohne Erfolg bezeichnen? Nein, denn die Kampagne hatte durchaus wünschenswerte Erfolge in Form von offensichtlichen Kundeninteresse. Hüten Sie sich daher von eine zu weiten Interpretation des Messwerts Conversion. Die einzig zulässige Aussage ist in diesem Fall, dass die angesprochene Gruppe auf diese Kampagnenform mit dem Kampagneninhalt zu diesem Zeitpunkt ohne Bestellung reagiert hat.

Beachten Sie die Conversionsschritte

„Jetzt klicken und am Gewinnspiel sofort teilnehmen“ lautet das To Do ihrer Werbeaktion. 23% haben hierauf reagiert. Ihre anderen Kaufmailings haben nur 2% Umwandlungen. Mailing eignet sich nicht für Verkaufsaktionen, so ihr persönliches Fazit. Stimmt dies oder vergleichen Sie Äpfel mit Birnen? Bei Ihrem Gewinnspiel gibt es eigentlich nur einen Conversionsschritt, nämlich klicken und dadurch automatisch teilnehmen. Sie haben hier eine 1:1-Beziehung zwischen Thema und Handlung. Die Menge Ihrer Conversionskiller bleibt überschaubar: Falsche Ansprache, versteckter Button, nicht funktionierender Link. Im zweiten Beispiel, nämlich der Verkaufsaktion, haben Sie eine 1:n-Beziehung vor sich. Der Empfänger muss im Mailing klicken, die Landingpage muss ordentlich funktionieren, der Kunde wird dann umfassend auf der Produktseite informiert und motiviert, er muss das Produkt in den Warenkorb legen, die Anmeldung darf nicht zu lästig sein und die Zahlungsbedingungen müssen stimmen und der Prozess muss ordentlich und zügig inklusive Bestellbestätigung abschließbar sein. An jedem Punkt dieser Customer Journey kann Ihr Conversionsziel scheitern und zwar auch an Faktoren, die überhaupt nichts mit Ihren ursprünglichen Einflussfaktoren zu tun haben. Denn auch hier sind Ihre direkten Einflüsse begrenzt auf: richtig Ansprache, leicht auffindbarer Button und funktionierender Link. Sie messen aber die gesamte Conversion an dieser Kette. D.h., mindestens weitere 50 Einflussfaktoren der Journey blenden Sie aus und tun bei der Conversionsbetrachtung so, als könnten Sie den gesamten Erfolg an Ihren 3 Ausgangsfaktoren messen.

Betrachten Sie die Conversion in Einzelschritten.

„Warum messen Sie eigentlich die Conversion?“ Wenn Sie jetzt antworten: „Um den Erfolg zu messen“, sollten Sie nochmals zurück auf Abschnitt 2 gehen. Sie messen die Conversion letztlich deshalb, um Erkenntnisse über die Einflussfaktoren zu bekommen. Ist es egal, wann ich meinen Newsletter versende? Ist der graue Button auffällig genug und richtig platziert? Stimmt der call to action? Wenn Sie aber eine 1:n-Conversionsstrecke vor sich haben, wie wollen Sie dann ihre Einflussfaktoren beurteilen? In diesem Fall können Sie auch würfeln. Insofern – so behaupte ich – bringt Ihnen die übliche Conversionsmessung nach der Formel Käufe / Newsletterversendung (oder Zugänge SEO oder Kontakte Adwordsanzeigen …) = Conversion keine verwertbaren Aussagen, da immer 1:n-Realationen bestehen.

Der Klassiker

In jeder Webanalyse ist er zu finden: Der Klassiker der Scheinaussage. 10.000 Klicks über SEA generiert und hieraus 300 Käufe. Unser Conversion beträgt 3%. Wir haben keine Probleme. Hätten wir nur 50 Käufe, hätten wir ein SEA-Problem. Richtig? Nein.

Schauen wir uns die beiden Fälle an. 10.000 Session werden generiert, aber 7.000 springen sofort wieder ab.  Aus den verbleibenden 3.000 Sessions werden aber 300 konvertiert. Ergo sind die Produkte attraktiv, Präsentation und die Bestellprozesse funktionieren sehr gut. Aber Adwords hat zu hohe Streuverluste.
Im zweiten Bespiel kann es so sein, dass Adwords 10.000 Session erzeugt, und auch 6.000 Besucher bleiben. Die Zahlungsbedingungen sind aber so schlecht, dass kaum ein Kunde dies akzeptieren will.  Ist dann eine Conversion von 0,5% ein Problem der SEA-Kampagnen?

Bemessen Sie die Conversion möglichst am vorhergehenden Schritt der Customer Journey

Anders formuliert lautet die Regel, dass Sie eine sinnvolle (interpretationsfähige) Conversionsmessung nur dann vornehmen können, wenn zwischen Ihrer Kampagne möglichst eine 1.1-Relation vorliegt. Dies erreichen Sie indem Sie die Conversion am vorhergehenden Prozessschritt messen.
Angenommen, Sie haben einen herkömmlichen Kaufprozess, der aus vereinfacht aus Werbeaktion -> Landing -> Warenkorbabschluss besteht, so messen Sie am sinnvollsten die Conversion aus den Landings anstatt aus der Werbeaktion.  Denn in den Daten zwischen Landings und Kauf stecke Ihre sinnvollen conversionsoptimierenden Daten. Ebenso verfahren Sie in der Conversionsbetrachtung zwischen Werbeaktion und bleibenden Besuchern auf der Landingpage. Dann erkennen Sie auch, ob das Conversionsproblem in der Werbeaktion, in der Landingpage oder im Kaufprozess liegt.

Daher lautet meine grundsätzliche Empfehlung bei der Conversionsbetrachtung grundsätzlich die Conversion bereinigt um die Absprünge zu betrachten. Wir messen Googlewerbung ja auch nicht an den Zahlen, die die Werbung nicht erreicht hat. Ebenso unsinnig ist es eine Conversion danach zu beurteilen, welche Leute sich grundsätzlich nicht mit dem Thema oder Produkt befassen wollen (Absprünge).

Wenn Sie so vorgehen, so haben Sie nicht eine Conversionszahl, sondern mehrere. Zum Beispiel die Conversion 1, die das Conversionsziel bleibende Besucher auf Landeseite misst. Ergo eine Conversion 2, die Ihnen die Umwandlung von bleibenden Besuchern hin zum Kaufabschluss misst. Im Bedarfsfall müssen Sie Ihre Conversionen filigraner auslegen, wenn Sie die Vermutung haben, dass Produktinformationen, Check out etc. Probleme haben. Auf diese Weise bekommen Sie ein simples aber ausreichend informatives Reporting, das Ihre spezifischen Schwächen aufzeigt.

Wenn Sie dann zu Conversionsvergleichen gefragt werden können Sie elegant antworten: In Ihrem Verständnis wäre die Conversionsrate mit 0,75% als sehr bescheiden an zu sehen.  Aber die Umwandlungsrate zwischen Landings und Warenkorbabschluss liegen bei 8%, so dass wir mit unserem Shop sehr zufrieden sind und auch zuversichtlich sind die Streuverluste in den Anzeigen zu verbessern.

Contentmarketing. Um diese Dinge geht es?

Contentmarketing ist seit 5 Jahren in aller Munde. Trotzdem scheiden sich die Geister darüber, was es konkret bedeutet. Klar ist, dass Marketing nie inhaltslos sein kann.  Ist dann jedes Marketing gleichzeitig Contentmarketing? Wenn nein, was ist prägend für diesen Marketingzweig.?

Nie war die Botschaft so wertlos wie heute!

Medienflut

Ein Blick auf das Grundproblem heutigen Marketings bringt uns einen Schritt näher. Konsumenten werden mit Verkaufswerbung geflutet. Geschossen wird aus allen Rohren auf allen Kanälen. Diesen Zustand hat Onlinemarketing mit mehr Reichweite zum günstigen Preis zusätzlich angeheizt. Experten schätzen, dass allein in Deutschland  über 700 Milliarden E-Mails im Jahr versendet werden. Etwa 80 Prozent sind Spam-Mails, die die Empfänger weder gewünscht noch angefordert haben. Das Ergebnis dieser Overloads sind: Sinkende Öffnungsraten, sinkende Conversionen, sinkende Newsletterabos, Bannerblindheit, Adblocker. Diese Überladung ist leicht messbar: Lesen Sie von 20 Seiten Ihres Prospekts nur 2 Seiten, so waren 90% überladenen, nutzlose Infos. Mehr als 98% der heutigen 10stündigen Berieselung wird von den Forschern als überladen betrachtet (Ionos:Informationsüberflutung). Die Wirtschaftswoche brachte es auf den Punkt: „Nie war die Botschaft so wertlos wie heute.

Mit Blick in mein Mailpostfach, so sind es tatsächlich vielleicht 2-3% der Mailings, die ich mir wirklich näher ansehe. Ist es bei Ihnen auch so? In der Regel sind es solche, die mich über neue Studien, bewährte Ansätze, best practises informieren. Im Kern solche Themen, die mich interessieren, die Lösungen versprechen, vielleicht auch mal Unterhaltsames mitteilen. Und damit sind wir im Nukleus von Contentmarketing als Alternative zur massenhaften Kauf-mich-Werbung, indem die Zielgruppe mit hochwertigen, interessanten Themen abgeholt wird.

AIDA gilt noch immer

„Interessant sein“, ist hier das Stichwort. Die Marketingregel AIDA ( Attention – Interest – Desire – Action) beginnt damit die Aufmerksamkeit zu wecken und das Interesse herzustellen. Aufmerksamkeit kann Holzhammer-Kommunikation bedeuteten, muss es aber nicht. Aufmerksamkeit wird auf viele Wege geweckt, auch durch Sympathie, Empathie, gleicher Betroffenheit, Expertise, Glaubhaftigkeit, Vertrauen, Persistenz, Präsenz, Anerkennung Dritter, Routiniertheit, Professionalität, Exklusivität … und vieles mehr.

Werbung ist heutzutage allein wegen der Informationsflut schon rein rechnerisch ein intensiver Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit ist deshalb so entscheidend, da sie der Türöffner in nachfolgende Schritte des Kauftunnels ist. Selbst vom spendabelsten Verbraucher müssen Sie zuerst Aufmerksamkeit und Interesse gewinnen, bevor Sie ihm etwas verkaufen können.

Direktverkauf ist kein Ziel

Contentmarketing ist hier die stilleren Alternativen, jenseits der immerwährenden kauf-mich-Tiraden. Das Ziel ist hier nicht direkt zum Kauf zu führen, aber Contentmarketing ist zwingend auch zielorientiert. Nur Inhalte streuen, um diffuse Sympathien zu wecken, reicht nicht. Alle Aktivitäten müssen einen klaren Bezug zum Ziel haben. Sie brauchen ein Prüfsystem, dass jede Aktivität neu hinterfrägt: Wie erhöht diese Maßnahme zusätzliches das Interesse an unserer Firma und an unseren Produkten. Da wir auch in Contentmarketing überwiegen von Onlinemarketing reden, hinterlegen Sie diese Frage mit klaren Erfolgsmesszahlen dieser Frage. Interesse können Sie messen mit Response, Reaktionen auf Postings, Weiterempfehlungen, Teilnehmerzahlen an Hausmessen, Anforderungen von Testeinsätzen, Downloads von Whitepapers, Einladungen zu Fachvorträgen, Zitationen Ihrer Studien und Beiträge, Anmeldungen im geschützten Contentbereich usw. Daher kann man in gewisser Weise Contentmarketing auch als eine strukturierte Vorstufe des Produktmarketings betrachten.

Die nachfolgende Graphik veranschaulicht dies am Beispiel der Customer Journey.

Die Unterscheidung Produktmarketing und Contentmarketing findet man häufig.

Produktmarketing Contentmarketing
Das Produkt steht im Fokus. Die Reputation, die Mitarbeiter, die Grund-
sätze, das Engagement, das Vertrauen,
die Begeisterung stehen im Fokus.
Das Problemlösungs-
versprechen wird kommuniziert.
Das Problem, die Anforderungen und
Lösungsansätze stehen im Vordergrund.
Die Botschaften werden gepusht. Es werden Pull-Informationen angeboten.
Macht Leistungsversprechen. Beweist die Leistungsversprechen.

Diese Betrachtung ist praktikabel. Faktisch ist Contentmarketing aber breiter angelegt, je nachdem welche Strategie verfolgt wird. Contentmarketing stellt sich im Rahmen von HR-Strategien anders dar als im Rahmen von Marken-Strategie und anders im Rahmen von Selling-Strategien.

Grundlage aller Aktivitäten im Contentmarketing ist immer, was die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf sich zieht. Klassisch sind dies: akute Probleme und Themen der Zielgruppen, Themen über die die Branche spricht, Branchen-Studien, Marktentwicklung, neue Marktteilnehmer, gute Mitarbeiter gewinnen und Vieles mehr. Aufmerksamkeit gewinnen heißt, sich intensiv mit den Zielgruppen und deren Interessen wie Lebensart zu befassen. Aus diesem Grund werden Käufer-Persona-Konzepte (lesen Sie mehr hierzu)  in einem Atemzug mit Contentmarketing genannt. Je präziser, umfassender und tiefgehender Ihr Musterkunde Ihnen bekannt ist desto besser sind die Voraussetzungen für Ihr Contentmarketing.

Die ersten Schritte …

im Contentmarketing beginnen mit einer Content Inventarisierung. Content ist viel mehr als nur Ihrer Texte. Bilder, Links, Metadescriptions, Seitentitel, Keywords, Infographiken, Prüflisten, Piktogramme, Seitenaufrufe  … zahlen ebenso hierzu. Meist werden mit Hilfe von Robots diese Contentelemente automatisiert und strukturiert in Tabellen erfasst. Dieses Inventar muss anschließend in einem Audit bewertet werden. Was ist nützlich, was ist kann aufpoliert werden, was ist überflüssig oder gar schädlich. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass guter Content immer nur neuer Content ist. Ein Blick auf externe und interne Suchanfragen hilft oft mehr, die Themen und Interessen festzustellen als eingeflogene Redaktionskonzepte. Keine Frage ist es, dass Contentmarketing die Königsdisziplin in der Marketingkommunikation darstellt. Die Effekte sind ähnlich und nachhaltig wie ein guter Markenaufbau:Ihr Renommee wächst.

  • Die Preissensibilität Ihrer Kunden sinkt.
  • Die Loyalität Ihrer Kunden und Mitarbeiter steigt.
  • Indirekte Werbeeffekte über Mundpropaganda, PR etc. steigen
  • In 5 Jahren wird Contentmarketing deshalb so selbstverständlich sein wie Markenmarketing

Strategie: Nutzen Sie die „unwirksamen“ 50% Ihres Budgets

Abschließend verführe ich Sie zu einem Gedankenexperiment. Henry Ford wird der legendäre Satz nachgesagt, dass nur die Hälfte seiner Werbung wirke. Belassen Sie die 50% Ihres Werbeetats in den Aktivitäten von deren Wirksamkeit Sie wirklich überzeugt sind. Verwenden Sie dann die anderen 50% des Budgets das nicht wirksam ist, um systematisch ein professionelles Contentmarketing aufzubauen. Wenn Ihnen dies zu riskant erscheint: Bedenken Sie, dass überhaupt nur 2% Ihres Budgets es in die Aufmerksamkeit Ihrer Zielgruppe schafft.

Wollen Sie mehr zu Contentmarketing wissen. Brauchen Sie eine spezifische Beratung? Fehlt es Ihnen an einer Strategie oder einen Einstieg? Nehmen Sie Kontakt auf, ich unterstütze Sie professionell und gerne.