Kategorien-Archiv Digitaler Wandel

Wie Sie die digitalen Transformation strategisch steuern

Plötzlich gibt es Homeoffice, selbst in konservativen Unternehmen, die sich immer dagegen gewehrt haben. Einzelhändler entdecken über Nacht, dass Sie jahrelang versäumt haben einen zeitgemäßen Onlineshop aufzubauen. Videokonferenzen werden binnen eine Woche zum Standard, während es zuvor ein ganzes Jahr dauerte bis die IT geeignete Lösungen geprüft hatte. Die Corana-Krise wirkt in der Unternehmenslandschaft wie ein Brandbeschleuniger. Der Brand selbst nennt sich digitaler Wandel.

Traditions-Hasen und digitale Igel

Die Geschichte vom Hasen der sein Bestes gibt und am Igel scheitert, ist bekannt. Auch Unternehmen geben regelmäßig ihr Bestes, doch der digitale Igel ist schneller. Der Vergleich hinkt, denn er enthält ein gravierendes Missverständnis. Er beinhaltet die Vorstellung,  als wäre der digitale Wandel ein Umbauprojekt und es gäbe einen festen Endpunkt. Wenn es in der Digitalisierung so eine rasante Entwicklung gibt, wo soll dann ein das Ende sein? Daher bedeutet der digitale Wandel im Unternehmen eine Umstrukturierung, die die Herausforderungen dieses permanenten Prozesses aufnimmt. Für das zeitgemäßes Unternehmen ist die Veränderung ein Prinzip.

Vermutlich wird es Unternehmen geben, die davon ausgehen, dass die kurzfristige Lösung des Themas Homeoffice und Videokonferenz bereits die Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Unbestritten waren hier die Betriebe gefordert. Diesen Lackmustest haben eigentlich nur die Firmen bestanden, die kaum etwas neu organisieren mussten. Diese haben sich bereits auf den Wandel eingestellt und Technologien, Workspaces, Organisationsformen usw. waren nicht neu. Wenn in Ihrem Unternehmen dies eine Herausforderung war, dann war dies zugleich ein Indikator dafür, dass die Firma sicherlich noch auf mehr Feldern den Herausforderungen der Zeit hinterherhinkt. Viele Unternehmen haben nur etwas Rückstand aufgeholt.

Wie Sie die digitale Transformation im Unternehmen zu einem Prozess machen

Keine Lösung ist nach meiner Überzeugung: „Wir holen uns einen Personalcouch ein und schicken die Mitarbeiter durch ein Unternehmenswandlungstraining“. Dies wäre nicht nachhaltig und  Veränderungsprozesse wären nur Sprechblasen. Veränderungen sind an konkrete Situationen, sinnhafte Bezüge und konkrete Handlungsvorstellungen gebunden. Nur Greifbares wird begriffen, nur was begriffen wird ist für Veränderungen greifbar. Klingt wie ein Paradoxon, ist aber simpel: Organisieren Sie die digitale Transformation konkret sichtbar und erlebbar.

Identifizieren Sie Ihre Wandlungsbedarf

Sie sind grundsätzlich nicht falsch beraten, wenn Sie Ihre Unternehmensbrandherde als Kandidaten für Transformationsprozesse identifizieren, z.B. einbrechende Print-Abos, nachlassende Vertriebsaktivitäten bei den Resellern, wuchernde IT-Altlasten, Reservate-denken in den Abteilungen. Wo Sie den Hebel ansetzen ist in der Praxis meist gleichgültig. Die Prozesse in den Firmen sind heutzutage so stark vernetzt, dass bei fachkundiger Herangehensweise ohnehin alle Altlasten hochgespült werden. Wichtig ist nur, dass nicht klassisch verfahren wird: d.h.,  ein „das führt zu weit“ gibt es nicht.

Genauso gut sind Sie beraten, wenn Sie nicht nur Problemstellen, sondern auch gut laufende Kernprozesse mit der Fragestellung betrachten: „Werden diese durch digitale Entwicklungen gefährdet oder gar überflüssig?“. Z. B., die Schallplattenindustrie hätte sich gut aufstellen können, wenn sie sich diese Frage bei der Erfindung von MP3  gestellt hätte. Sie tat es nicht und ist von Napster, Spotify & Co überrollt worden.

Sie brauchen ein agiles Unternehmen

Agilität ist eine Schlüsseleigenschaft für die dynamischen Herausforderungen. Gemeint ist nicht Aktionismus in Form blinden Agierens („Wir machen jetzt auch …“). Das agile Unternehmen ist flexibel und anpassungsfähig ohne chaotisch zu werden. Es ist skalierbar, kann also Kräfte kurzfristig bündeln und erweitern, wenn es erforderlich ist. Daher sind diese Unternehmen strategisch aufgestellt, sind vernetzt und arbeiten mit strategisch ausgewählten Partnern. Mitarbeiter wie auch die Unternehmensführung arbeiten antizipativ. Sie erkennen herankommende Herausforderungen frühzeitig, testen im Voraus und können sich dadurch gelassen auf akute Entwicklungen einstellen. Agilität bedeutet die Veränderungen proaktiv und initiativ anzunehmen. Hier ist auch die Kreativität gefordert, also die Fähigkeit sich antizipativ eine Situation vorzustellen und hierzu Lösungen auch abseits gängiger Muster einzuschlagen. Was passiert, wenn das Management diese Herausforderungen ignoriert, kann jeder bei  Automobilindustrie und in der Finanzbranche direkt studieren.

Schaffen Sie ein „zweites Betriebssystem“

Klingt seltsam und ist es auch. Nicht jedes Unternehmen ist ein Startup voller junger Kreativer. Es muss auch Wege geben, wie etablierte Unternehmen diesen Wandlungsprozess umsetzten können. Der Ökonom Kotter („Accelerate“) führte diesen Ansatz ein. Gemeint ist, dass im Unternehmen Freiwilligen-Kreise gebildet werden, die den Freiraum bekommen eine neues Betriebsmodell ohne große Hierarchien und Widerstände aufbauen kann: Ein Motor des Wandels. „Einer der wichtigsten kompetitiven Vorteile, die eine Organisation entwickeln kann, ist die Fähigkeit, bei so vielen Mitarbeitern wie möglich ein starkes Dringlichkeitsgefühl zu schaffen und sich als Gesamtorganisation auf die Chancen auszurichten, die eine Veränderung mit sich bringen kann“ , so Kotter im Magazin Personalwirtschaft.

Weitere andere Modelle (Task Forces, Innovation Hubs, Tiger Teams, Future Labs Golden-Circles, Incubator-Management …. )   sind in der Literatur beschrieben und erprobt. Welche Vorgehensweisen und Methoden hier passend und sinnvoll sind, ist eine maßgeschneiderte Leistung – passend zum jeweiligen Unternehmen – die Ihr Unternehmensberater erbringen muss.

Integrieren Sie die Transformationen in ihre Unternehmensstrategie und bilden Sie einen KPI hierfür

Ist dies eine Floskel? Solange es die Entwicklungen im „zweiten Betriebssystem“ nicht in die Welt des ersten Betriebssystems schaffen, haben Sie das Ziel verfehlt. Digitale Transformation bedeutet nicht Ausgründung sondern Integration in Standardprozesse. Dieser Integrationsprozess erledigt sich nicht selbst, es muss eine Strategie für diese Integration geben. Erst dann ist die Transformation gelungen. Bestandteil jeder Strategie ist das Controlling über entsprechende KPIs. Nichts anderes gilt für den Unternehmenswandel.

SAP beispielsweise identifiziert Technologieführerschaft, erstklassige Kundenerfahrung und Mitarbeiterengagement als wichtige Transformations-KPIs und nennt Zahlen:  

Quelle: www.sap.com/germany/products/intelligent-enterprise.html

Auch in der Entwicklung Ihrer passenden Wandlungs-KPIs ist Ihr Berater gefragt. Zuerst muss definiert werden, was digitale Transformation im Rahmen Ihrer Strategie eigentlich bedeutet. Hieraus ergeben sich dann die Metriken.

Welchen Status hat Ihr Unternehmen in der digitalen Transformation? Wie schlüssig ist Ihre Strategie? Nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie Unterstützung brauchen. Ich berate Sie gerne.

Kommt eCommerce 4.0 durch die neuen Sprachassistenten?

 

Sprachsystem Callcenter

Ja, ich bekenne mich: Ich hasse Sprachcomputer. Insbesondere die, die von Banken, Versicherungen, der Telekom usw.. „Wollen Sie dies, dann drücken Sie die 1, wollen Sie jenes, dann drücken Sie die 2, wollen Sie das, dann drücken Sie die 3. Wie war nochmal der Code für die MFV-Umschaltung? Was muss ich bei „Jenes“ drücken?  „Wenn Sie bereits Kunde sind und Fragen zu Ihren Konto haben, sprechen Sie: Konto“. “Tut mir leid, ich habe Sie nicht verstanden.“  „Wenn Sie bereits Kunde sind und fragen zu Ihren Konto haben, sprechen Sie: Konto“.  Ich habe Ihren letzten Satz nicht richtig verstanden. Bitte wiederholen Sie“ … An diesem Punkt bin ich im Puls schon bei 130. Geht es Ihnen auch so?

Zugleich wundere ich mich. Warum wird so eine Konstellation nicht überwacht und warum kann nicht einfach jemand den Hörer abnehmen und fragen was ich will? Meine Antwort ist naheliegend: Würde die Qualität des automatischen Sprachsystems im Betrieb überwacht und ggf. durch Handeln von Mitarbeitern korrigiert, wäre der Aufwand höher als ganz ohne Sprachsystem. Ergo ist der Rationalisierungssprung von Sprachautomaten im Call-Center-Einsatz gering und der Effekt besteht darin, Kunden von der telefonischen Kontaktaufnahme abzuhalten oder zur Konkurrenz ohne Automaten zu drängen.

Kein eCommerce 4.0 durch die neuen Sprachröhren?

Studie Sprachassistenten

Die Unternehmensberatung Capgemini weiß es besser. Und: es gibt auch schon einen Begriff für „Conversational Commerce“. Im Rahmen ihrer Studie 2017 „Conversational Commerce: Why consumers are embracing voice assistants in their lives“ wurden 5.000 Studienteilnehmer aus den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland zu Sprachassistenten befragt. Und zwar Menschen mit oder ohne Sprachassistenten. Als Ergebnis wird der Sprachassistenz eine goldene Zukunft vorhergesagt. Die methodische Schwäche der Studie ist, dass Personen v.a. über ihr voraussichtliches Verhalten in 3 Jahren befragt wurden. 

Fakt ist, dass die Sprachtechnologie von Apple, Amazon und Google technologische Sprünge gemacht haben. Mehr als 40 große Einzelhändler wollen mit der Googletechnologie Online-Sprachbestellungen umsetzen, allen voran Wallmart. Die Wahrscheinlichkeit von Innovation durch massive Konkurrenz ist daher groß, aber keine Garantie. Auch my-world hatte seinerzeit trotz Millionen-Engagements nicht überlebt. Die größte Hürde bleibt die User-Akzeptanz.

Sprechen statt tippen

Lt. Capgemini waren 4 von 5 Usern von den Sprachfunktionen überzeugt bzw. begeistert. Die meisten Nutzer verwendeten hierbei die Spracherkennungsfunktionen ihrer Handys. Insbesondere bei Routinefunktionen (Ersparen von Texttippen, Erinnerungen, einfache Einkäufe) erfreuen sich die Sprachassistenten einer hohen Beliebtheit. Daher bevorzugen auch 41% der Befragten solche Assistenten vor Apps oder Websites. Spracheingabe wird also zur ernsthaften Alternative von Gestik, Maus und Tastatur. Dies wäre dann eine echte Revolution. Vier von 8 Gründen stützen dies. So empfinden die Anwender die Sprachsteuerung komfortabler, multitaskingfähiger, routine-entlastender, persönlicher und natürlicher. Durchwegs nachvollziehbare Gründe. Warum viele Teilnehmer angeben, die Sprachsteuerung wäre sicherer oder biete bessere Deals, ist nur schwer erklärlich.

Wieder einmal die Schnittstellen

Bild Schnittstelle

Im Gegensatz zu den sündteuren Callcenter-Sprachcomputern, stehen die Sprachinterfaces den Händler jetzt schon – quasi per Handy – zur Verfügung und müssen nicht teuer entwickelt werden. Entscheidend ist hier das andere Ende des Sprachassistenten, der die Sprache in Ja-/Nein-Aktionen bringen muss. Nur dann können diese als Schnittstelle für angedockte Programme fungieren. Aber auch hier sind schon Softwareschmieden unterwegs, die solche Interfaces anbieten. Beispiel ist hier IFTTT (ifttt.com): Der Webdienst arbeitet mit bestimmten Regeln, den „Applets“. Dies sind logische Verknüpfungen nach dem Schema Wenn Ereignis A eintritt, führe Aktion B aus. Diese Applets für Alexa stellen die Verbindung zu Diensten wie dem Google Kalender, Todoist, Wunderlist, Gmail und allen anderen denkbaren Apps und Webseiten her. Sie können dabei auf vorgefertigte Regeln zugreifen oder eigenen Applets erstellen. 

Fazit:

Sprachsteuerung, insbesondere über Handyfunktionen, steht im Mobile Commerce eine große Zukunft bevor, wenn die Anbieter Ihre Shopfunktionen mit den Steuerungsdiensten verbinden. Bevorzugt einsetzbar sind diese Funktionen in allen Bereichen die die Bequemlichkeit oder Vertrautheit erhöhen wollen. Die Einführung solche Funktionen ist nicht gerade business as usual. Solide steuerbare Projekte sind jedoch möglich. Der Sprachassistent, der immer freundlich rund um die Uhr in der Bestellaufnahme Ihren Auftrag entgegennimmt, wird in naher Zukunft ihre Fax-, Mail- oder Warenkorbbestellung vielfach ablösen. Außer: Ihr Drucker, ihr Kühlschrank oder Ihr Kopierer ist ihnen selbständig bei der Nachbestellung schon zuvor gekommen.

Hier der Download-Link zur Studie conversational_commerce

Sind Manager, der aus dem traditionellem Commerce kommt und Unterstützung bei eCommerce-Entscheidungen braucht? Brauche Sie Orientierungen, welche Entwicklungen in naher Zukunft im Internet anstehen? Ich berate Sie gerne. Hier können Sie Kontakt mit mir aufnehmen.

Open Access: Spannende Zeiten für Verlage oder muss sich der Buchhandel neu erfinden?

Vorletzte Woche auf der Buchmesse 2017 in Frankfurt. „Verlegen in Zeiten der Transformation des Publikationswesens – Aufstand der Buchhändler. Widerstand gegen die Transformation des Publikationswesens“, so lautete der sperrige Titel eines Forums, auf dem Geschäftsmodelle im Open Access für Verlage und Buchhandlungen diskutiert wurden. Am Podium die üblichen Verdächtigen aus den Verlagen und Sven Fund – der frischgebackener Geschäftsführer des Peter Lang Verlages – als Talkmaster. Dennoch war es keine „Logenveranstaltung“; das Forum war voll und das Thema stößt offensichtlich auf ein breiteres Interesse, wie das Publikum zweigte in dem sich auch Thieme Chef Albrecht Hauff oder Nomos-Leiter Alfred Hoffmann befanden.

 

Open Access

Mit der Verbreitung des Internets als Informationsverteiler und zunehmend schrumpfenden Etats der wissenschaftlichen Bibliotheken wurden zwei Kernfragen neu gestellt: Warum wird das Internet nicht zur preiswerten Veröffentlichung genutzt und warum sollen Steuerzahler die Forschung zuerst über öffentliche Förderung bezahlen um später die Ergebnisse wiederum als Veröffentlichungen von den Verlagen erneut zu kaufen? Grundsatzfragen, die einleuchtend sind. Die Zeit für solche Diskussionen war auch gekommen: War diese Diskussion in Form von Open Source Programmierung doch längst geführt und das Internet selbst ist der Spirit dieses Gedankens. So beginnt die Budapester Erklärung mit den Sätzen: „Durch das Zusammentreffen einer alten Tradition mit einer neuen Technologie ist ein bisher beispielloses Gemeingut verfügbar geworden. Mit der alten Tradition ist die Bereitschaft von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gemeint, die Ergebnisse ihres Arbeitens in Fachzeitschriften zu veröffentlichen und diese Veröffentlichungen anderen zur Verfügung zu stellen, ohne hierfür bezahlt zu werden. Die neue Technologie ist das Internet. Das Gemeingut, das aus deren Zusammentreffen hervorgehen kann, besteht darin, dass Zeitschriftenbeiträge, die das Peer-Review durchlaufen haben, weltweit elektronisch zugänglich gemacht werden können – kostenfrei und ohne Zugangsbeschränkungen für Forschende, Lehrende und Studierende und für alle anderen, die an den Ergebnissen der Wissenschaft interessiert sind. Herausgebildet haben sich in der heutigen Welt zwei opportune Konzepte, die als „goldener“ und „grüner“ Weg etikettiert sind. Im goldenen Weg werden die Publikationen zuerst im Internet, meist in Form von e-Journalen, veröffentlicht. Im grünen Weg wird, parallel zum herkömmlichen Verlagsveröffentlichung, eine jedermann zugängliche Onlineversion auf Dokumentenservern bereit gehalten. Um entstehende Kosten zu finanzieren, zahlen die Autoren direkt oder über Institutionen für die Veröffentlichung.

Die Zeiten von Open Access eröffnet den neuen und kleineren Verlage die spannende Chance um neue Geschäftsmodell zu erfinden, so das Fazit von Anke Beck, De Gruyter, dem sich die meisten Diskutanten anschlossen. Diese Zufriedenheit wird der Fachbuchhandel, angesichts des schwelenden DEALs der Wissenschaftsverlage mit Bibliotheken und Hochschulrektoren nicht teilen. Zur Diskussion oder gar zum offenen Bühnenstreit kam es trotzdem nicht. Denn Buchhändler, waren obschon des provokanten Untertitels, vorsorglich gar nicht auf dem Podium vertreten. So konnten Bibliotheks- und Verlagsmenschen in diesem Thema wie immer unter sich sein.

Der angesprochene „Aufstand der Buchhändler“ meint den umstrittenen DEAL zwischen Hochschulrektoren und großen Wissenschaftsverlagen, der die Implementierung einer Open-Access-Komponente enthält, „so dass z.B. die von den Wissenschaftseinrichtungen getragenen Kosten für Open-Access-Veröffentlichungen im Rahmen dieser Lizenzen berücksichtigt werden“, so Antje Kellersohn, Universitätsbibliothek Freiburg und Leiterin der DEAL-Projektgruppe laut Börsenblatt des Deutschen Buchhandels. Hiergegen wurde heftig Kritik aus den Reihen der Buchhändler geäußert, die ihr Geschäftsmodell wegschmelzen sehen. Solche Kritik ist zwar grundsätzlich so alt wie das Direktgeschäft der Verlage, hat aber bei Open Access eine neue Qualität. Betrifft die Kritik doch den Kern in der Distribution von Wissen. Das Geschäftsmodell der Wissenschaftsverlage verändert sich mit Open Access und vom Produzenten zum wissensverteilenden Dienstleister.

Die Verlage werden aufgrund gewollter politischer Konstellationen beim Kulturgut Buch sicher überleben. Der Handel wird es schwer haben, denn in solchen neuen Vertriebsmodellen ist kaum Platz für den Handel. Aber was sollte den Handel grundsätzlich daran hindern, dieses Segment auch neu zu denken und Businesslösungen anzubieten. Absurd? Nein, befinden sich doch die Buchhändler schon längst mit e-Procurementlösungen für Wissenschaftsbibliotheken in einem Wandel von Händler zum technischen Lösungsanbieter. Warum dann nicht weiter denken in Zeiten von Cloud-Lösungen und das Portofolie an Open Access Unterstützungsprozessen ausbauen. Viele denken beim Stichwort „Cloud“ nur an Speicherlösungen. Cloud ist aber heute zugleich ein ganzer Werkzeugpark an diversen, hochskalierbaren Softwarewerkzeugen mit deren Hilfe Suche, Speicherung, Transformation leicht zu realisieren sind. Da diese nach Nutzung abgerechnet werden ist das Investitionsrisiko gering. Es gibt daher aus der Risikobetrachtung und aus dem Investitionsaufwand kein Argument, dass der Buchhandel keine innovativen Open-Access-Modelle entwickeln könnte.

Ein Verlag ist, abstrakt betrachtet, die Dokumentation und Produktion von Wissen, die Information über das Wissensprodukt, dessen Vervielfältigung und marktgerechte Bevorratung. Buchhandel ist die Recherche, Beschaffung und zügige Versorgung des Marktes mit den gewünschten Produkten. Diese plakativen Funktionen sind ohnehin aufgeweicht und heute viel verästelter. Und dort sind die spannenden Chancen für neue Leistungen und Geschäfte. Es beginnt mit den vielfältigen xml-Aufbereitungen von Artikeln und Abstracts um den „leblose Worten“ in der Onlinewelt ein inhaltliches Leben für Authentizität, Maschinen, Marketing und Verwertung einzuhauchen. Es setzt sich fort mit der Metaaufbereitung des eigentlichen Beitrags und der Positionierung in seinem Kontext. Zu Leistungen und Prozesse der Neuzeit zählen auch Registrierungen unterschiedlichster Art, z.B. für DOIs, einer Art URL für digitale Beiträge. Trotz aller altruistischer Motive, wird es auch in Zeiten von Open Access immer um Renommee und Bekanntheit gehen, welches der wissenschaftliche Autor mit seiner Veröffentlichung zugleich anstrebt. Renommee und Bekanntheit sind im e-Commerce nur Synonyme für qualifizierte SEO-Dienstleistungen, digitales PR und Markenaufbau. Ähnliches gilt auch für den digitalen Mantel in dem die Veröffentlichung erscheint, sei es Datenbank, e-Journal.

Der DEAL der Rektoren

Was war geschehen? Elsevier, Springer Nature und Wiley verhandeln direkt mit der Hochschulrektorenkonferenz um Nutzungspauschalen für wissenschaftliche e-Journale unter dem Codenamen DEAL. Dies rief wesentliche Teile der Fachinformationshändler auf die Barrikaden. In einem offenen Brief beschworen diese die Gefahr, dass die „Zusammenarbeit mit dem Handel weitgehend aufgekündigt“ wird und warnten vor einer weiteren Konzentration. Die Händler fühlen sich um die bisherigen Arbeitsteilung von Publizieren und Distribuieren betrogen. „Wir haben Bibliotheken und Verlage in den Zeiten des digitalen Wandels erfolgreich unterstützt und beraten. Es wurden Dienstleistungen entwickelt, die Bibliotheken helfen, die Herausforderungen, die dieser Wandel mit sich gebracht hat, zu meistern. Diese Mehrwerte stellen heute einen essentiellen Wertschöpfungsfaktor für Bibliotheken dar und entlasten von ansonsten selbst zu erbringenden Leistungen“, so ein offener Brief der Fachbuchhändler. Die Buchhandlungen fürchten, um ihre  Umsätze im Bibliotheksgeschäft und letztlich auch  innovativ abgehängt zu werden.

 

Also doch spannende Zeiten für innovative Unternehmen der Verlags- und Buchhandelsbranche? Ja, sicherlich, aber wo ist derzeit die Innovationsbereitschaft? Es bedarf hierzu Kreativität, Distanz zu den tradierten Vorstellungen und einem fokussierten Willen. Aktuelle befinden sich die Buchhändler in diesem Business in einem Stellungskrieg, in dem um jeden Zentimeter Land verbissen gekämpft wird. So ist die Gefahr sehr groß, dass diese Fixierung strategisch zu viele Kräfte bindet, um die Chancen und Kräfte für neue Modell zügig zu entwickeln. Innovationskraft und Agilität sind in Internetzeiten die neuen Produktivkräfte die über die Zukunft der Unternehmen bestimmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die bloße Verschiebung der Etats zu den großen Verlagen lediglich eine Form der veränderten Verteilung knapper Budgets ist, anstatt innovativ den Zugang der Wissenschaft zu den Ergebnissen zu fördern. Solche Deals wären dann langfristig gesehen Sisyphossiege.

Sind Sie ein ehrgeiziges Unternehmen, das sich diesen Herausforderungen stellt und nach strategische Chancen sucht? Wollen Sie weiterhin am Bibliotheksgeschäft teilhaben und sich trotzdem innovativ aufstellen? Nehmen Sie jetzt Kontakt auf. Ich berate Sie gerne.

Warum viele Veränderungsprozesse scheitern?

 

Projekt

Die Entwicklung von Projekten, Geschäftsprozessen, Businessplänen ist häufig aufwändig, zeitraubend, ressourcenintensiv und unproduktiv. Irgendwann ist das Ergebnis zusammengetragen und auf hunderten Folien dokumentiert. Viel Zeit ist ins Land gegangen und nach so viel Aufwand müssen jetzt schnell Entscheidungen her. Auch dann, wenn sich viele ursprüngliche Randbedingungen schon wieder verschoben haben.

Irgendwann ist es an der Zeit den inhaltlichen Wandel zu verkünden. Abteilungsleiter oder Projektteam werden instruiert, was sich nun alles ändern wird. Unruhe und Unsicherheit macht sich im Betrieb breit. „Wer da oben hat denn dies entschieden? Als ob wir keine anderen Probleme hätten“, lässt der Flurfunk wissen. „Was sollen wir denn noch alles zusätzlich leisten?“, werden andere ergänzen und Dritte sehen dies gar nicht in Ihrer Zuständigkeit.

So verbringt das Vorhaben seine Entwicklung zuerst im Verschiebebahnhof bis es dann am Abstellgleis endet. „Eigentlich hatten wir uns mehr davon versprochen“ lautet das enttäuschte Fazit aus der Führungsetage. Und so wandern Projekte, Geschäftsprozessinnovationen, Businesspläne allmählich in die Schubläden und Aktendeckeln.

Laut Standish Group wird die Erfolgsrate bei Projekten in den USA werden auf 34% geschätzt. Nur knapp die Hälfte aller Projekt-Vorhaben in Deutschland waren in den drei vergangenen Jahren erfolgreich, fand die TU München heraus.  Das beschriebene Szenario ist also eher Standard als Fiktion.

Die häufigsten Ursachen warum Veränderungsprozesse scheitern!

In den letzten 20 Jahren wurde viel zu dem Scheitern erforscht und in diversen Bereichen alternative Methoden erfolgreich eingeführt. Die Innovationsdynamik kam hier vor allem aus den rasant wachsenden Internetunternehmen, die sehr schnell erkannten und erlebten, dass die gängigen Modelle nicht ausreichten, um dem massiven Entwicklungs- und Veränderungsdruck in dieser Branche Stand zu halten.

Die Vorhaben werden zu umfangreich und zu komplex definiert!

Das Konzept des Prototyping ist ein bewährtes Verfahren aus der Software-, Produkt- wie auch Dienstleistungsentwicklung. Die reduzierte Basisversion konzentriert sich auf die Kernaspekte der Anforderungen und verhindert so, dass sich Projekte frühzeitig verzetteln.  Prototyping darf nicht verwechselt werden mit einem Proof of Concept, improvisierten Lösungen oder mit Workaround-Lösungen. Der Proof of Concept ist eine Machtbarkeitsprüfung bezogen auf einen isolierten Aspekt. Der Workaround eine improvisierte Schnelllösung als Zwischenschritt einer endgültigen Lösung.

Die Planbarkeit wird überschätzt und auf Unerwartetes wird nicht methodisch reagiert!

Effectuation ist ein jüngerer strategisch-methodischer Ansatz unternehmerischer Entscheidungsmethodiken. Prinzip ist, stark von den vorhandenen Ressourcen und Gestaltungsmöglichkeiten aus zu planen. Risiken werden durch die Definition des leistabren Verlustes begrenzt. Die Wirksamkeit dieses Konzepts beweist sich insbesondere in Projekten mit hoher Unsicherheit und Komplexität.

Die Anforderungen und Features werden zu ungenau definiert!

Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Unklare Aufträge sind die zweithäufigste Ursache für ein Projektscheitern. Meist werden vertiefte Fragestellungen erst während der nach dem Start deutlich. Die Optimization ist eine weitere Methodik in der das Prototyping unter Abwägung der Ressourcen nachgeschärft wird, ohne das Projekt insgesamt zu gefährden. Zwangsläufig kommen an dieser Stelle sämtliche Hinweise aller Beteiligten und Betroffenen ins Spiel. Wohlgemerkt: Um den Entwicklungsprozess schnell und schlank zu halten, erfolgt in dieser Phase keine Ausweitung Ausweitung des Vorhabens auf Nebenschauplätze. Optimiert werden die Anforderungen an den Prototyp.

Das Vorhaben bleibt in Kommunikationsschwierigkeiten, unausgesprochenen Konflikten und fehlenden Entscheidungen stecken!

Bis zu diesem Grade sind Projekte, Businessmodelle oder Prozessinnovationen überwiegend  noch Angelegenheiten auf dem Reißbrett. Aber die Beteiligten und Betroffenen müssen ins Boot geholt werden. Der nachfolgende Zwischenschritt entfällt in der Mehrzahl der Vorhaben und ist regelmäßig der häufigste Grund des Scheiterns.

Ein ganz zentraler Faktor für das Gelingen von neuen Verfahren, Businessmodellen oder Innovationen ist, dass die Beteiligten das Projekt zu einem Thema für sich machen. Hier ist mehr gemeint als nur ein Kick-Off-Termin. Ich habe dieses methodischen Abschnitt Decisions genannt. Decision deshalb, da eine Kenntnisnahme der Betroffenen meist nicht ausreicht. Vielmehr müssen Projekte bei diesen Personen dort hingebracht werden, dass diese das Projekt zu Ihrer Entscheidung machen. Traditionell ist dieser Prozess als Change Management definiert. Es gibt aber weit darüber hinausgehende Entwürfe, wie z.B. Holacracy. Dieser Ansatz geht davon aus, dass Mitarbeiter selbst alle notwendigen Entscheidungen im Unternehmen kompetent fällen können, folglich also auch Neueinführungen eine Folge ihrer Entscheidungen sind und diese Entscheidungskompetenz hierfür haben. Voraussetzung ist, dass klare Regeln und Rollensysteme vorhanden sind und das Management dem die volle Aufmerksamkeit widmet. Eine positive Folge dieses Konzept ist, dass der Flaschenhals des Entscheidungsstaus in Projekten wegfällt.

Die Tests und Einführungen sind ungenügend vorbereitet!

Die operative Einführung ist häufig ein Stiefkind bei den Vorhaben. Da Projekte regelmäßig die Terminplanungen überziehen, geht dies häufig zu Lasten des Zeitkontos einer methodisch strukturierten Einführung, damit Projektleiter die Timelines einhalten können. Die Folgen sind fatal, denn dadurch werden Testphasen schlichtweg in die Produktivphasen verschoben. Ein immer wieder beobachtbarer Grundfehler ist, dass die Testpersonen überhaupt nicht instruiert sind, was diese eigentlich testen sollen. Die Folge ist ein rein oberflächliches Testen. Die Konfrontation der Anwender mit der operativen Form des Projekts beginnt mit dem Rollout. Der Begriff stammt aus der Softwareentwicklung und wird dort eher eng gefasst. Allgemein verstehe ich diesen methodischen Schritt umfassender in Verbindung mit Testing in allen Ausprägungen. Also auch in Form eines Labortests, Feldtests, A/B-Test oder Usability-Test. Rollout und Testing ist die vollständige Dokumentation und Beobachtung der produktiven Einführung inkl. Instruktion, Rollbackplanung, Aktivierung der Messsysteme und Festlegung systematischer Auswertungen.

Das Controlling des Vorhabens ist ungenügend und die Reflexionen über den Projektverlauf werden vermieden!

Gerade bei rein technisch definierten Projekten musste ich häufig die Erfahrung machen, dass zwar die technischen Spezifikation erfüllt waren, aber in der täglichen Praxis die Anwendung inkompatibel zu den Prozessen und Arbeitsweisen waren. Das 6. Verfahrenselement ist der Review. Aus dem Projektverlauf werden strukturiert die Learnings gewonnen die laufenden Ergebnisse bewertet, dahingehend, ob die definierten KPIs (Key Performance Indicators)  erreicht werden. Eine notwendige Begleiterscheinung des Prototypings ist das systematische Ausblenden der Nebenbaustellen. Der Review hält diese noch offenen Themen fest. In der Regel lässt ein sorgfältiger Review auch die Seiteneffekte, Unerwartetes, Erwartetes und weniger Erwartetes erkennen.

Es werden nur die sichtbaren, offensichtlichen Probleme gelöst!

Das Redesign ist der zwangsläufige methodische Folgeprozess des Reviews. Redesign meint keinen grundlegenden Relaunch. Redesign ist der Projektschritt der Optimierung in dem das Projekt weiter an die Kundenbedürfnisse angepasst wird. Es ist eine Form der Anpassung und Erweiterung von Details. Wichtig ist das Prinzip, dass auch hier Verbesserungen schnell und sichtbar umgesetzt werden. Redesign schließt auch Konzepte der Vereinfachung (Simplify), der Ressourcenschonung, Komplexitätsreduzierung (Lean Management), der Missverständlichkeitsreduzierung und der Gefährdungsreduzierung ein.

Projektoptimierungen

Ich vermittle mit seecob Ihnen ein praxisbewährtes Verfahren für Ihre eigenen Optimierungen!

Aus der Kenntnis dieser Entwicklungen und in Erprobung eigener Berufspraxis habe ich die Methodik der Strukturierten Entwicklung eCommerce Business „seecob“ entwickelt. Es ist eine Verbindung dieser Methodenansätze. Neu daran ist der strukturierte Einsatz in den jeweiligen Entwicklungsphasen eines Projekts, eines Businessmodell oder Prozessinnovation.

Wollen Sie mehr zu seecob erfahren? Kontaktieren Sie mich jetzt. Ich informiere Sie gerne.